Viele Menschen bemühen regelmäßig Wahrsager, um Aussichten in die Zukunft zu erhalten. wWas aber bringt wahrsagen, wenn erst einmal wenig hoffnungsvolle Botschaften vernommen werden, egal wie sehr sich der Wahrsager darum bemüht, möglichst zuversichtlich zu klingen? Ist es jenem Mann emotional besser ergangen, nachdem ihm eine Wahrsagerin prophezeit hatte, dass sein glücklichster Tag im Leben, sein Hochzeitstag, sein traurigster werden würde? Denn ändern konnte der Mann nach seinem Besuch nichts am Lauf der Dinge. Sein Vater starb tatsächlich an jenem Tag, als er die Ringe tauschte. Auf welches verborgene Wissen über das Leben des Mannes in der Zukunft hatte die Wahrsagerin Zugriff gehabt?
Guter Witz über Wahrsager
Kurzweilig gelingt eine Annäherung an das Thema mit Tiziano Terzani, früherer, bedeutender Korrespondent des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL in Ost- und Südostasien. Terzani war ein Reporter alter Schule. In nächster Nähe zu den Menschen sammelte er, der 1993 ein Jahr lang wegen einer merkwürdigen Prophezeihung kein Flugzeug betreten hatte, um sein Leben nicht zu gefährden, die irrwitzigsten Aussagen von doch tiefer Wahrheit. So befindet sich in seinem Buch „Fliegen ohne Flügel“, erschienen im Jahr 1996, folgender, herrlicher Witz über Wahrsager. Der geht so: „Die nächsten zehn Jahre wird Dein Leben schrecklich sein. Du wirst große Probleme haben und nichts wird Dir gelingen,“ sagt der Wahrsager. „Und danach?“ fragt der Kunde ängstlich. „Danach? Danach wirst Du Dich daran gewöhnt haben!“ – Tatsächlich? Soll man ausharren und abwarten, bis das Leben die mit Schwierigkeiten und Problemen gefüllte Vorratskammer von allein geleert hat? – Nicht ganz. Es gibt, das vorneweg, einen Ausweg. Neben pragmatischem Denken werden in allen spirituellen Schriften das Gebet, die Bitte um Vergebung von ganzem Herzen und der innere Dialog mit allen, die als Brücke zu Gott dienen, genannt: mit Jesus, allen Heiligen, allen Meistern, Lord Krishna, mit dem Universum. Der unzweifelhaft vorhandene, freie Wille des Menschen kann zudem eingesetzt werden, das Leben bewusst nach höheren Werten auszurichten, um auf diese Weise das eine oder andere Karma abzumildern. Was bedeutet das?
Was der Mensch sät, das wird er ernten
Tatsächlich hatte der Wahrsager im Witz oben Recht. Denn er sprach vor dem Hintergrund eines im Buddhismus und Hinduismus beheimateten Konzeptes von einem „unbeugsamen und unerbittlichen Naturgesetz“: dem oben erwähnten Karma. Das Wort bedeutet, aus dem altindischen Sanskrit kommend, nichts anderes als „Tat“, „Wirkung“ oder „Auswirkung“. Das was damit gemeint ist, realisiert sich tatsächlich in jeder Sekunde und weit über das jeweils einzelne Leben in der Gegenwart hinaus. Als Gesetz besagt es, dass alles, was der Mensch jemals gedacht, gesprochen oder getan hat, im Guten wie im Bösen, einen tiefen Eindruck in dessen Gemüt hinterlässt und zu ihm zurückkehren wird, zu irgendeinem passenden Zeitpunkt, weil es „ausgelebt“ werden muss. Zusammen mit den abertausend anderen Eindrücken, die bereits existieren, und jenen im Energiefeld der eigenen Familie bestimmt Karma als sich auswirkende Tatensammlung über das Glück oder Unglück eines Menschen – im Großen wie im Kleinen. Der Spruch „Was der Mensch sät, das wird er ernten“, spricht hier Bände. Der Kunde von Terzanis Wahrsager muss also irgendwann negative Handlungen vollzogen haben, die jetzt zu ihm zurückkehren, in Form mehrerer Jahre voll Mühe und Plage.
Der verflixte Geist oder von Steinen und Blättern
Derjenige, der den auf Erden nicht auflösbaren Zusammenhang von Ursache und Wirkung herstelle und verantworte, ist nach den Worten und Schriften Buddhas der menschliche Geist. Sein Element sei der Raum. Der Geist liege allem, was wir erleben, zugrunde. Der Geist arbeitet sozusagen als jene „Maschine“, die alles jenes in der Welt, das für Realität und Materie gehalten wird, erst hervorzaubert. Jedes äußere Bild – vom Baum, vom Strauch, der Ameise, den Wolken, den Häusern und den Mitmenschen – gilt, wie ein Film auf einer Leinwand, von daher nur als Projektion.
Diese Natur des Geistes werde vom Menschen jedoch oft nicht erkannt. Die Folge: Antstatt die ursprüngliche Reinheit der Seele zu sehen, noch vor dem Geist, verdunkeln sich Sicht und Gemüt, und er folgt den Bedürfnissen seiner Sinne und Empfindungen, seinem Trachten und Sehnen; weil er dasjenige für die Wahrheit hält, was sich vor seinen Augen abspielt und wen er selbst in diesem selbst konstruierten Wirklichkeitstheater spielt: ein gutes oder ein schlechtes Leben, in einer guten oder schlechten Umwelt, mit guten inneren Absichten oder schlechten – ohne das Bewusstsein dafür zu haben, dass alles Denken, Handeln und Tun weitere Folgen nach sich ziehen wird.
Die Internetbloggerin Evelyn Störzner griff hier zur Veranschaulichung dieses menschlichen Karma-Problems zu folgendem Bild: Sie verglich einen negativen Gedanken mit einem harten Stein und einen positiven Gedanken mit einem zarten Blütenblatt. Dem unablässigen Bewusstseinsstrom des Geistes und den Forderungen der Sinne ausgesetzt, sei demnach jeder Mensch täglich damit beschäftigt, harte Steine und zarte Blütenbilder in die Luft, sprich: in den Raum der Welt zu werfen. Irgendwann fallen die Steine und die Blütenblätter wieder herunter und bilden entweder ein schwer oder einen leicht zu gehenden Pfad. Welche und wie viele Steine oder Blütenblätter man in die Luft wirft, hänge auch davon ab, was die Seele bevorzugt, da sie, so auch Sant Kirpal Singh, es sei, die diese so genannten karmischen, im Raum schwebenden Partikel anziehe.
Sant Kirpal Singh unterscheidet in seinem Buch „Karma. Das Gesetz von Ursache und Wirkung“ mindestens drei große Karma-Gruppen, die er immer weiter voneinander unterscheidet – vom Karma aus längst zurückliegenden Vergangenheiten („Sanchit“) über die Bildung des Gegenwarts-Karmas („Pralabdh“) bis zu karmischen Handlungen in der gegenwärtigen Existenz, durch die der Mensch seine Zukunft bestimme („Kriyaman“).
Fähigkeit der Wahrsager
Kommt man nun zurück zur Ausgangsfragen, ob ein Wahrsager karmische Spuren im aktuellen Lebensproblem des Rat Suchenden erkennen kann, so lautet die Wahrheit tatsächlich: Ja. Ein guter Wahrsager kann beispielsweise anhand des Lenormand-Kartensystems Hinweise darauf geben, ob eine schwierige Lebenssituation eine karmische Auswirkung darstellt oder welche aktuelle Lernaufgabe für den Menschen damit verbunden ist. Er kann interpretieren welche Menschen das eigene Leben aufgrund bestehender karmischer Verbindungen bereichern und welche nicht. Der Kunde im Wahrsager-Witz müsste von daher am Ende froh sein, da das Leben ihn für die Bewältigung zentraler Aufgaben nun für stark genug hält.
Quellen:
Sant Kirpal-Singh, „Karma. Das Gesetz von Ursache und Wirkung“. Origo-Verlag, Bern, 1983.
http://www.buddhismus-schule.
Evelyn Störzner: https://seherineva.wordpress.
http://www.viversum.de/online-
Autorin: Alexandra Karabelas, Zeichnun: Inken Hilgenfeld
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