Am 9. November veranstaltet der Münchner Choreograf Stefan Dreher erstmals einen Tanzmarathon. Langjährige und renommierte Performer wie Felix Ruckert aus Belrin, Aurelién Desclozeaux aus Frankreich oder Michael Yang aus den USA kreieren mit neun weiteren Tänzerinnen und Tänzern dauernd tanzend ein neuartiges, zeitgenössisches Bewegungsgebilde.
Herr Dreher, Sie nennen Ihren Tanzmarathon DANCING DAYS. Was reizt Sie am Marathon Tanzen?
Ein Tanzmarathon ähnelt einem klassischen Laufmarathon – in seiner Schönheit und seiner Schrecklichkeit. Mir gefällt an beiden Marathons, dass die Bewegungen immer „schöner“ werden müssen, geschmeidiger, im Tanzen wie im Laufen. Es gilt „seinen“ Rhythmus zu finden. Beim Tanzen kommt die Musik hinzu ein gemeinsamer Rhythmus. Man wird eins mit sich selbst und mit den anderen Tänzern. Am Marathontanzen reizt mich zudem dass das Ganze ein wunderbar absurdes Element enthält. Es scheint weniger zielgerichtet zu sein als ein Laufmarathon, jedoch genauso dramatisch und überraschend.
Worin besteht für Sie diese Absurdität? Hat sie nicht etwas mit der ungeheuren Dauer zu tun, in der bei Ihnen getanzt werden soll?
Wiederholungen haben für mich immer den Reiz des Absurden, gleichzeitig sind sie für Bewegung unbedingt notwendig. Absurd und notwendig gleichzeitig, mich bewegt der Gedanke, das einen Tag und eine Nacht durchzuhalten.
Wie kamen Sie auf die Idee eines 24 Stunden dauernden Tanzes?
Das war ein Erlebnis in einem anfahrenden Zug. Ich war lange nicht sicher, ob wir uns oder ob sich der Nachbarzug bewegt. Da hab ich mich gefragt, warum es nicht möglich ist auf der Stelle zu hüpfen, damit sich die Erde unter den Füßen dreht. Ein kindischer Gedanke, aber er gefiel mir. Tanz hat für mich viel mit Bewegungen zu tun, die auf der Stelle bleiben. So wie Michael Jacksons Moonwalk. Beides zusammen ergab dann die Idee die Welt tanzend zu umrunden, indem man einen Tanzmarathon veranstaltet, der auf der Stelle über einem Punkt auf der Erde stehen bleibt. Einen Tag und eine Nacht tanzen, um dort wieder anzukommen, wo man angefangen hat.
Wie wird bei Ihrem Tanzmarathon getanzt werden?
Tanzschritte bestehen in unserer Tradition grundsätzlich aus Wiederholungen. Für mein Projekt „Dancing Days“ orientieren wir uns an der Minimal Music von Steve Reich oder Philipp Glass, die aus endlosen Wiederholungen, rhythmischen Verschiebungen und überraschenden Wendungen konstruiert wird. Ähnlich gehen wir bei der Komposition dieses Tanzmarathons vor. Benutzt werden relativ einfache Tanzschritte, die eine Wiederholung erst möglich machen, wie etwa das Gehen. Hinzu kommen eine Reihe von Regeln, die die zwölf Performer während des Tanzens beachten und umsetzen und die den Tanz mit hervorbringen und strukturieren.
Wen möchten Sie mit Ihrem Projekt ansprechen?
Jeden, den das Thema beschäftigt, aber natürlich auch Tanzinteressierte, die zufällig bei uns vorbeischauen. Der Marathon ist 24 Stunden zugänglich. Man kann jederzeit rein und raus und entscheidet wie lange man bleibt. So gesehen suchen wir ein Marathon-Publikum. Die Zuschauer sollen sich wie bei einem klassischen Laufmarathon mit den Tänzern solidarisieren. Da das i-camp-Theater nicht bestuhlt sein wird, darf jeder Zuschauer Decken, Liegestühle, Kissen und Proviant mitbringen.
Wie haben Sie die Tauglichkeit Ihrer Teilnehmer getestet?
Aktuell nehmen an unserem Marathon professionelle klassisch oder zeitgenössisch ausgebildete Tänzerinnen und Tänzer jeden Alters teil. Wie für einen Laufmarathon ist es für einen Tanzmarathon wichtig, sich körperlich und mental auf die Strecke vorzubereiten. Dazu haben wir ein Trainingskonzept entwickelt, das es uns auch erlaubt hat, geeignete Teilnehmer auszuwählen. Die vorbereitende Übung kann aber jeder, der das Tanzen liebt, zuhause absolvieren. Ein Blick auf unsere Website www.dancingdays.de genügt.
Was wird der Zuschauer bei den DANCING DAYS erleben?
Ein Training. Eine Meditation. Übungen. Versuche – alles ist offen. Wir setzen mit Christoph Reiserers Komposition, der Bühne, einem Lichtkonzept und Regeln einen Rahmen, innerhalb dessen etwas passieren wird, was ich nicht vorhersehen kann. Am Ende bin ich mir sicher, wird unser Zuschauer mit uns daran glauben, dass wir die Erde umrundet haben. Für mich ist das der Inbegriff eines Tanzerlebnisses. Wenn Zuschauer und Tänzer diese Idee 24 Stunden teilen können, dann springt der Marathon über.
Vor hundert Jahren waren die Tanzmarathons eine Möglichkeit, Geld zu verdienen. Ist das bei Ihnen auch möglich?
Ja, die Tänzer werden bezahlt, jedoch wie in der freien Tanz und Theaterszene üblich, mit sehr bescheidenen Mitteln. Der Marathon geht bei uns nicht soweit, das Geld ein ernsthaftes Motiv darstellt.
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